2012 in review | Oder was der Mount Everest mit Traumatherapie zu tun hat

Die WordPress.com-Statistik-Elfen fertigten einen Jahresbericht dieses Blogs für das Jahr 2012 an.
  Hier ist ein Auszug:
600 Personen haben 2012 den Gipfel des Mount Everest erreicht. Dieser Blog hat 2012 über 5.900 Aufrufe bekommen. Hätte jede Person, die den Gipfel des Mount Everest erreicht hat, diesen Blog aufgerufen, würde es 10 Jahre dauern, um so viele Aufrufe zu erhalten.“

Klicke hier um den vollständigen Statistikbericht zu sehen.

Das von den WordPress-Elfen für die Jahresstatistik gewählte Bild der Besteigung des Mount Everest erscheint mir sehr passend für die Thematik meines Blogs und lädt mich ein, meine erste Therapiegeschichte für diesen Blog zu schreiben.

Psychotherapie und Traumatherapie im Besonderen gleicht oft einer Bergbesteigung. Mühsam, beschwerlich, anstrengend, unberechenbar und deshalb oft gefährlich. Wer sich aufmacht, einen Berg zu besteigen, weiß nicht, was ihm auf dem Weg alles begegnen wird. Allenfalls mag es da eine Ahnung geben, dass das wohl kein Spaziergang wird. So ist das auch in einer Traumatherapie.
Dennoch macht man sich auf den Weg. Ein Schritt. Terrain begutachten. Ein Schritt. Stolpern. Ein Schritt. Den Blick zurück wenden und erwägen, umzukehren. Ein Schritt. Ein winziges Plätzchen festen Untergrund finden. Ein Schritt. Ausglitschen. Nach Halt suchen. Ein Schritt. Mutiger werden und zwei Schritte auf einmal nehmen. Schwanken. Ein Schritt. Ein Felsvorsprung löst sich unter den Füßen. Aufgefangen werden. Staunen. Ein Schritt. Herabsausende Gerölllawine. Sich schützen. Beschützt werden. Die Augen reiben. Den Staub abschütteln. Ein Schritt.

Schritt um Schritt. Immer weiter. Und dann taucht da vielleicht ganz unvermittelt ein Plateau auf. Fester Boden. Ein Platz, um sicher stehen zu können. Der Blick muss nicht mehr ganz so konzentriert auf den Boden gerichtet werden. Die Augen können sich erstmals ein wenig umschauen. Sie können schauen auf das Stück Weg, das bereits gegangen wurde, können erkennen, dass schon etwas Vertrautheit mit der Bergsteigerei gewachsen ist, dass hier und da eine gewisse kleine Geübtheit mit bröselnden Steinen und glitschigen Felsen entstanden ist und dass sich das manchmal sogar schon ein ganz kleines bisschen sicher anfühlt. Und von diesem Plateau aus kann der Blick schweifen. Womöglich reißt gerade die Wolkendecke auf und Sonnenstrahlen spenden für einen Moment Wärme.

Es gibt ja jetzt schon Erfahrung mit der Bergsteigerei. Möglichkeiten werden abgewogen. Die Augen suchen in der Felswand einen sicheren Aufstieg. Die Ausrüstung wird nochmal überprüft. Nochmal einen Moment Wärme spüren und Kraft tanken. Und dann geht es weiter. Schritt für Schritt.
Wieder eine neue Etappe. Zum nächsten Plateau. Zur nächsten sicheren Stelle.
Auf dem Weg dahin wieder: Straucheln. Halt verlieren. Halt finden. Knie aufschürfen. Wunden versorgen. Aufrappeln. Weiter gehen. Schritt. Schritt. Und diesmal gibt es da vielleicht einen Felsvorsprung, eine Felsenhöhle mitten im Bergmassiv. Ein Ort der Schutz bietet vor den Stürmen der Nacht. Ein geschützter Platz zum Ausruhen, um Pause zu machen, fürs Kräfte sammeln, um Geborgenheit zu finden mitten im größten Unwetter. Sonnenaufgang. Nochmal die Glieder strecken. Ausrüstung zusammensammeln.
Noch ein Blick. Bei der Ankunft war es stockduster. Jetzt ist es hell. Mal schauen, wie es hier aussieht. Was für ein Ausblick! Ein herrlicher Blick über die Landschaft. Tut den Augen gut. Das Bild aufsaugen. Die Sonne spüren. Einmal durchatmen. Ja. Jetzt kann es weiter gehen. Wieder ein Stück näher ans Ziel. Schritt. Schritt. Schritt.

Noch eine Etappe. Und noch eine. Und noch eine. Schritt. Schritt. Schritt.
Wie mag es wohl auf dem Gipfel sein? Vielleicht kann ja jetzt schon mal ein bisschen davon geträumt werden …

Bei allen, die im vergangenen Jahr meinen Blog besucht haben, die meinem Blog folgen, die meinen Artikeln Sternchen verliehen haben, die mir mit ihren Gedanken und Anmerkungen Rückmeldung gaben und Inspiration, die mich mit ihren Kommentaren teilhaben ließen an ihrem Erleben und mich haben lernen lassen, möchte ich mich ganz herzlich bedanken für die virtuelle Begleitung durch das Jahr 2012.
Ich freue mich auf die Reise durch das Jahr 2013 und wünsche mir weiterhin so gute Reisebegleitungen wie im vergangenem Jahr.

11 thoughts on “2012 in review | Oder was der Mount Everest mit Traumatherapie zu tun hat”

    1. Das Entsetzen, das Grauen, die Panik beim Schliddern, Rutschen, Straucheln, bei herab prasselnden Gerölllawinen, bei wegbrechenden Felskanten, auf denen die Füße doch gerade eben noch gerade mal eben so ein wenig Halt gefunden hatten, ist mit Worten nicht auszudrücken.
      Wenn dann auf dem weiteren Weg immer und immer wieder und wieder die Erfahrung gemacht wird, es gibt Halt, wird ganz allmählich Vertrauen wachsen dürfen. Vertrauen darauf, dass die Füße Halt finden werden. Vertrauen in eine Hand, die Halt gibt.

      1. Angst verstellt den Weg.
        Wenn in der Therapie real alles darauf hindeutet, dass man eine gute „Wegbegleitung“ an der Seite hat, könnte ja vielleicht mal „mit dem großen Zeh vorgefühlt werden“, bevor der eigentliche Schritt gesetzt wird.
        Wenn Vertrauen so schwer erschüttert wurde, braucht es sehr viel Zeit, neues wachsen zu lassen. Jeder Milimeter auf diesem Weg lohnt sich.
        Es ist möglich, das zu lernen.

        1. Ist es wirklich allein die Angst? Manchmal frage ich mich, ob nicht doch die viel größere Schwierigkeit darin liegt, diese Milimeter, diese winzig kleinen Schrittchen, sehen zu können.
          Und viel zu oft stellt sich die Wahrnehmung und die Verwirrung im Inneren quer und man weiß gar nicht genau, ob diese „Wegbegleitung“ gut ist, weil man ja schon gar nicht mehr weiß, wie dieses „Gute“ sich denn wirklich anfühlen muss, um gut genug zu sein. Und dann „fühlt man mal mit dem großen Zeh vor“ um plötzlich erschrocken zurückzuspringen, weil es fremd ist und man nicht weiß, ob es fremd-gut oder fremd-schlecht ist. Es ist ein Hin und Her, und es braucht wohl sehr viel Geduld von beiden Seiten, selbst dann, wenn es eine gute „Wegbegleitung“ ist. Aber dann, wenn dann die erste ganz schlimme, ganz böse Hürde gemeinsam überwunden werden konnte. Ja, dann ist es möglich ein Wenig von dem zu spüren, was man Vertrauen nennt. Dann verkleidet es sich vielleicht in ein Gefühl von „huch, das ist ein bisschen sicher“, „oh, ich fühle mich plötzlich innerlich so ruhig“ oder einfach nur eine winzige gefühlte Leichtigkeit.
          Selbst wenn es möglich ist, die Angst zu überwinden. Zu erkennen wie Vertrauen sich wirklich anfühlt ist für jemanden, der nie vertrauen konnte, enorm schwer.

          1. Vor-und-Zurück und Hin-und-Her und immer wieder „mit dem großen Zeh vorfühlen“, zurückschrecken, es nochmal probieren und dann nochmal und nochmal.
            Dabei oft gar nicht so genau wissen, was da eigentlich genau passiert oder ob es wirklich die richtige Richtung ist.
            U.U. kann es eine ganze Weile dauern bis zum ersten Mal ein Gedanke auftaucht wie „ups, möglicherweise fühlt sich Vertrauen ja so an“.
            Die „vielen Millimeter“, die bis dahin schon zurückgelegt wurden, werden manchmal erst im Rückblick wirklich sichtbar.

  1. Hallo, ich bin durch Zufall auf diese Seite gestoßen, fand sie aber gleich sehr interessant. Ich beschreibe meinen Lebensweg, als meinen persönlichen Rocky Mountain 🙂 ich wusste auch nicht, was auf mich zu kommt? Dachte nicht das es so schwer ist. 🙁 Es ist wirklich ein sehr schwerer Weg, aber auf das was ich schon geschafft habe, bin ich sehr stolz. Auch, wenn ich oft denke, das bringt doch alles nichts. Gut das mein Therapeut mich immer wieder aufbaut. liebe Gruesse

    1. Auf einem solch schweren Weg ist es wichtig, einen guten „Reisebegleiter“ zu haben. Ich freue mich immer von guten Therapieerfahrungen zu hören. Das kann anderen Mut machen, sich ebenfalls eine passende „Wegbegleitung“ zu suchen.
      Über die schöne Rückmeldung zu meinem Blog freue ich mich sehr.

  2. Ich weiss nicht, was ich schreiben soll, mir geht es sehr schlecht und ich überlege, aufzugeben. Meine Hoffnung und mein Mut sind längst gestorben. Was ich brauche, ist jemand, der mir sagt, was ich tun soll.
    Ihr blog lässt mich verzweifelt zurück in meiner Welt. Trotzdem will ich mich bedanken, dafür, dass Sie „unsere“Welt verstehen. Die leisen Stimmen in mir fühlen sich verstanden und gleichzeitig verloren.

    1. Solang eine einzige Stimme da ist, die Licht und Wärme kennenlernen möchte, ist Hoffnung da. Vielleicht verborgen unter vielen dicken Schichten.
      Solang ein leises Stimmchen flüstert „bitte gib nicht auf“, ist Mut da. Vielleicht nur so ganz selten mal so ganz leise zu hören wie ein Rascheln.
      Solang es etwas gibt, das sich vielleicht so ganz manchmal so ein ganz winziges bisschen verstanden fühlt, ist Kraft da. Vielleicht nicht erkennbar.
      Solang es Sehnsucht gibt nach einem eigenen freien Leben, ist es möglich. So sehr die Sehnsucht auch noch schmerzt.
      Schritt für Schritt. Zaghaft. Quälend langsam. Schmerzend. Verzweifelt. Aber doch voran. Manchmal ganz unbemerkt.
      Es ist möglich.

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