Sexuelle Gewalt ist eine Erfahrung, die die Grenzen psychischer Belastbarkeit bei Weitem übersteigt.
Das Gehirn kann traumatische Ereignisse nicht auf die sonst übliche Art verarbeiten und speichern. Übersteigt das Erlebte die Grenzen des Erträglichen, werden Teile oder auch das gesamte Ereignis in bestimmten Gehirnregionen „eingefroren“, um das Überleben des Menschen zu sichern.
Es entsteht ein seelisches Trauma. Als Folge entwickeln sich Symptome einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), auch Posttraumatic Stress Disorder genannt (PTSD).
Erinnert nun eine aktuelle Begebenheit an einzelne Aspekte des Tathergangs, wird der „Eiszapfen im Gehirn“ quasi reaktiviert und abgespaltene („eingefrorene“) Erinnerungsanteile überfluten den Organismus. In sogenannten Flashbacks schießen scheinbar unvermittelt bruchstückhafte Erinnerungsanteile ins Bewusstsein. Das können sowohl Bilder, Gerüche und/oder emotionale sowie körperliche Empfindungen sein. Es kann auch über Jahre hinweg jegliche Erinnerung fehlen.
Sexuelle Gewalt verursacht (Todes-) Angst. Es entstehen Gefühle von Wertlosigkeit und Ohnmacht und Gefühle, beschädigt und beschmutzt zu sein.
Besonders Gefühle von Schuld und Scham sorgen dafür, dass Betroffene nur mit großen Schwierigkeiten den Mut finden, sich anderen anzuvertrauen.
Hinzu kommt, dass vor allem bei kleineren Kindern das Sprachvermögen nicht oder nur wenig entwickelt ist. Kinder haben noch keine Worte, die beschreiben könnten, was ihnen angetan wurde/wird.
Wut oder Hass in einer solchen (lebens-) bedrohlichen Situation zu zeigen oder auch nur zu fühlen, wird oft aus massiver Angst unterdrückt.
In Alltagssituationen kann sich die Wut durch aggressives Verhalten gegen Sachen, Tiere oder andere, oft Jüngere bzw. Schwächere, Bahn brechen. Oft wird die Wut autoaggressiv in Form von erhöhtem Risikoverhalten oder Selbstverletzungen gegen sich selbst gerichtet.
Sexueller Missbrauch hat eine Störung der Wahrnehmung zur Folge. Eigene Gefühle werden widersprüchlich, verzerrt oder gar nicht wahrgenommen. Ein angemessener Ausdruck von Gefühlen ist erheblich erschwert bzw. unmöglich.
Bei emotionaler Überforderung entstehen oft Gefühle als wäre man irgendwie gar nicht richtig da. Oder es ist, als würde man aus dem eigenen Körper aussteigen und aus einer Von-oben-herab-Perspektive das Geschehen betrachten.
Angst und/oder Panikattacken sind oft ebenso permanente Begleiter wie Depressionen oder das Gefühl, verrückt zu werden.
Psychosomatische Beschwerden finden sich bei allen Opfern von sexuellem Missbrauch. Häufig sind Hautkrankheiten und Störungen des Magen-Darm-Trakts. Viele kennen Würge- und Erstickungsgefühle, ebenso Schlafstörungen und Alpträume. Essstörungen oder Suchtverhalten können auftreten, ebenso Schmerzen ohne entsprechenden körperlichen Befund.
Als Kinder haben die Betroffenen erlebt, dass nichts sicher ist. Am allerwenigsten die Beziehungen zu engen Verwandten und nahen Bezugspersonen.
Tiefverwurzeltes Misstrauen zieht sich dann durch alle späteren Beziehungen. Als Erwachsene haben Missbrauchsopfer häufig Schwierigkeiten in der Partnerschaft und damit, eine erfüllte, erwachsene Sexualität zu leben.
Noch bevor sich eine eigene Sexualität entwickeln konnte, wurden sexuelle Handlungen benutzt, um ihnen Gewalt anzutun. Der Tatort ist der eigene Körper. Dieser Körper wird abgelehnt, oft gehasst.
Als Kinder haben sie haben gelernt, dass Sex Gewalt ist. Das hat sich in die Seele gebrannt.
In der Folge wird möglicherweise Sexualität grundsätzlich abgelehnt. Oder Sex wird gemacht mit Gefühlen von Bedrängnis oder Ekel oder auf zwanghafte Weise mit häufig wechselnden Sexualpartnern und mit oft hochriskanten Sexualpraktiken. Oder der eigene Körper wird verkauft durch Prostitution.
Folge der tiefgreifenden emotionalen, körperlichen und sexuellen Traumatisierung können auch Suizidgedanken sein oder Suizidversuche und vollendete Suizide.
In einer geeigneten Psychotherapie können Betroffene die seelischen Verletzungen durch sexualisierte Gewalt behutsam heilen lassen. Hilfreich bei der Bewältigung psychischer Traumata sind Methoden der Traumatherapie.
Mit Dank Marthe Wahl
Sehr gerne.