Petition: Abschaffung der Verjährungsfrist bei sexuellem Missbrauch an Kindern!

Eine Petition hat sich zum Ziel gesetzt, dass die Verjährungsfristen bei sexuellem Kindesmissbrauch abgeschafft werden.
Bis zum Jahre 1997 sah das Strafgesetzbuch (StGB) noch keine Unterscheidung zwischen „einfachem“ und schwerem sexuellem Missbrauch von Kindern vor. Die Verjährungsfrist betrug einheitlich 5-10 Jahre mit Hemmung bis zum 18. Lebensjahr. Die Hemmungsregelung besagt, dass die Verjährungsfrist erst zu laufen beginnt, wenn das gesetzlich festgelegte Lebensalter erreicht wird. Die Verjährung lief also max. bis zur Vollendung des 28. Lebensjahres.
Vor allem Feministinnen und Frauenberatungsstellen, später auch Opferverbände, setzten sich ab ca. der 1980er Jahre sehr engagiert für eine Gesetzesänderung ein.
Mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs am 30.07.2013 wurde die Verjährungsfrist bei sexuellem Missbrauch von Kindern (unter 14 Jahren) im Strafrecht auf bis zu 20 Jahre verlängert mit Hemmung bis zum 18. Lebensjahr.
Am 21.01.2015 wurde die Hemmung auf das 30. Lebensjahr angehoben.
Im Zivilrecht wurde die Verjährungsfrist auf 30 Jahre verlängert mit Hemmung bis zum 21. Lebensjahr. (vgl. „Sexualstraftaten | Verjährungsfristen“)

Der Missbrauch an Kindern darf nicht verjähren!“, fordert der Initiator der Petition Abschaffung der Verjährungsfrist bei sexuellem Missbrauch an Kindern!

Sexueller Missbrauch von Kindern wird juristisch als Vergehen, nicht als Verbrechen gewertet. Die Forderung, Kindesmissbrauch endlich als Verbrechen zu ahnden, ist nicht neu.
Im Jahr 2010 stellte ntv die Frage: „Was wäre denn wichtiger, als die Verjährungsfristen zu verlängern?“ und lässt MitarbeiterInnen von WEISSER RING und DUNKELZIFFER zu Wort kommen: „Aus Missbrauch ein echtes Verbrechen zu machen. Weißer Ring wie auch die Beratungsstelle Dunkelziffer kritisieren, dass im Strafrecht der Missbrauch juristisch als Vergehen, nicht als Verbrechen eingestuft wird. Für Verbrechen gilt – mit Ausnahmen nach unten – die Mindeststrafe von einem Jahr. Für Vergehen gilt – mit Ausnahmen nach oben – eine Strafe unter einem Jahr Gefängnis. Ein Raub, etwa ein Handtaschendiebstahl, wird beispielsweise als Verbrechen geahndet, die meisten Formen des Missbrauchs als Vergehen. Das hat Folgen für die Höhe der Strafe und damit für die Verjährungsfristen. „Missbrauch sollte generell ein Verbrechen sein“, sagt Rüster vom Weißen Ring.“ (Link s.u.)

Im Laufe der letzten Jahrzehnte gab es von verschiedenen Seiten wiederholt Petitionen, die die Abschaffung der Verjährung bei Sexualdelikten forderten.
Norbert Denef von netzwerkB (Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt e.V.) kämpft auch schon seit Jahren für die Abschaffung der Verjährungfristen bei sexuellem Missbrauch. In 2012 sammelte er dafür 65.000 Unterschriften.
Eine Umfrage im Jahr 2014 von infratest dimap im Auftrag von netzwerkB ergab, dass die überwältigende Mehrheit von 86% der befragten Deutschen für eine generelle Aufhebung der strafrechtlichen Verjährungsfristen für Sexualstraftaten an Minderjährigen ist. Diese Zustimmung findet sich in allen Alters- und Bildungsgruppen, unter Männern und Frauen und auch quer durch
die politischen Lager. (Link s.u.)

Für viele erwachsene Betroffene, die Opfer von sexuellem Missbrauch in der Kindheit bzw. Vergewaltigung wurden, kommt eine generelle Abschaffung der Verjährungsfrist bereits zu spät.

  • „Einfacher“ und schwerer sexueller Missbrauch, der vor dem 01.07.1997 begangen wurde, hat eine Verjährungsfrist von 5-10 Jahren mit Hemmung bis zum 18. Lebensjahr (bis max. zur Vollendung des 28. Lebensjahres).
  • „Einfacher“ sexueller Missbrauch, der vor dem 30.07.2013 begangen wurde und am 01.07.1997 noch nicht verjährt war, hat eine Verjährungsfrist von 5-10 Jahren mit Hemmung bis zum 18. Lebensjahr (bis max. zur Vollendung des 28. Lebensjahres).
  • Schwerer sexueller Missbrauch, der vor dem 30.07.2013 begangen wurde und am 01.07.1997 noch nicht verjährt war, hat eine Verjährungsfrist von 20 Jahren mit Hemmung bis zum 18. Lebensjahr (bis max. zur Vollendung des 38. Lebensjahres).
  • „Einfacher“ sexueller Missbrauch, der nach dem 21.01.2015 begangen wurde und zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, hat eine Verjährungsfrist von 5-10 Jahren mit Hemmung bis zum 30. Lebensjahr (bis max. zur Vollendung des 40. Lebensjahres).
  • Schwerer sexueller Missbrauch, der nach dem 21.01.2015 begangen wurde und zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, hat eine Verjährungsfrist von 20 Jahren mit Hemmung bis zum 30. Lebensjahr (bis max. zur Vollendung des 50. Lebensjahres).
  • Sexuelle Nötigung/Vergewaltigung, die vor dem 30.07.2013 begangen wurde und am 01.07.1997 noch nicht verjährt war, hat eine Verjährungsfrist von 20 Jahren mit Hemmung bis zum 18. Lebensjahr (bis max. zur Vollendung des 38. Lebensjahres).
  • Sexuelle Nötigung/Vergewaltigung, die vor dem 21.01.2015 begangen wurde und am 30.06.13 noch nicht verjährt war, hat eine Verjährungsfrist von 20 Jahren mit Hemmung bis zum 21. Lebensjahr (bis max. zur Vollendung des 41. Lebensjahres).
  • Sexuelle Nötigung/Vergewaltigung, die nach dem 21.01.2015 begangen wurde und zu diesem Zeitpunkt noch nicht verjährt war, hat eine Verjährungsfrist von 20 Jahren mit Hemmung bis zum 30. Lebensjahr (bis max. zur Vollendung des 50. Lebensjahres).

Sexualisierte Gewalt ist aus humanistischer Sicht ein Verbrechen.
Sexualdelikte sollten juristisch endlich nicht mehr als Vergehen, sondern als das geahndet werden können, was sie tatsächlich sind, nämlich eine vorsätzliche Verletzung des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung, des Lebens, des Körpers, der Gesundheit und der Freiheit.
Es wird Zeit, dass der Gesetzgeber Sexualdelikte endlich als Verbrechen bewertet.

Überlebende tragen die schwerwiegenden Folgen der an ihnen begangenen sexualisierten Gewalt. Gewalt macht seelisch und körperlich krank.
Überlebende mit komplexen Traumafolgestörungen nach sexualisierter Gewalt bekommen nicht die Unterstützung, die ihnen zustehen müsste. Noch immer gibt es viel zu wenige TherapeutInnen, die bereit und in der Lage sind, komplexe traumabezogene dissoziative Störungen zu behandeln. Noch immer suchen Überlebende oft jahrelang nach einem Traumatherapieplatz. Noch immer ist das Stundenkontingent der gesetzlichen Krankenkassen nicht an den tatsächlichen Behandlungsbedarf angepasst. Noch immer lehnen Krankenkassen grundsätzlich eine Kostenübernahme für eine Traumatherapie bei HeilpraktikerInnen für Psychotherapie ab, selbst dann, wenn diese Qualifikationen auf Niveau des Europäischen Zertifikats für Psychotherapie (ECP) vorweisen und eine traumatherapeutische Behandlung nach dem Konzept der chronischen traumabezogenen strukturellen Dissoziation der Persönlichkeit durchführen können.
Noch immer liegt die Quote der polizeilich angezeigten sexuellen Gewalthandlungen bei unter 5%. Noch immer gibt es nur etwas mehr als 1.000 Verurteilungen bei jährlich ca. 8.000 angezeigten Vergewaltigungen in Deutschland. (Quelle: TERRE DE FEMME)

Ob eine Strafanzeige wegen sexuellem Missbrauchs bzw. wegen Vergewaltigung gegen den/die Täter erstattet werden soll, ist eine höchst individuelle Entscheidung und hängt von einer ganzen Reihe von Faktoren und Überlegungen ab.
Überlebende finden oftmals im späten Erwachsenenalter überhaupt erstmals die Kraft, über die erlebte Gewalt zu sprechen, suchen dann teilweise jahrelang nach einer TraumatherapeutIn und brauchen dann über einen langen Zeitraum hinweg gute traumatherapeutische Unterstützung, bis sie in der Lage sind, Anzeige zu erstatten, die polizeilichen Befragungen auszuhalten, es ertragen können, den/m Täter(n) im Gerichtssaal gegenüber stehen und es verkraften können, wenn der Angreifer mit einem Freispruch nach Hause geht.
Es wird Zeit, dass der Gesetzgeber Betroffenen wenigstens die Möglichkeit einräumt, die Entscheidung für eine Anzeigeerstattung dann selbst treffen zu dürfen, wenn sie dazu im Stande sind.

Hier geht’s zur Petition:
Abschaffung der Verjährungsfrist bei sexuellem Missbrauch an Kindern!

zum Weiterlesen:
Sexualstraftaten | Verjährungsfristen – blog-gestalttherapie-luebeck.de
Warum verjährt Kindesmissbrauch? – ntv.de (09. 03. 2010)
Kampf gegen die Verjährung von sexueller Gewalt – Deutschlandfunk (06.12.2012)
Verjährung von Sexualstraftaten an Minderjährigen – Umfrage von infratest dimap im Auftrag von netzwerkB – Netzwerk Betroffener von sexualisierter Gewalt e.V. (17.-19.03.2014)

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